Erster Energietisch zum Thema „Energie selber machen"

10.11.2022

Mittwochabend trafen sich Akteure aus der Energie- und Finanzwirtschaft, der Wissenschaft und Verwaltung, um gemeinsam über Lösungsansätze für die künftige Energieerzeugung zu sprechen. Für die Verwaltung gibt es konkrete Hausaufgaben.

Die zentrale Frage des Abends lautete: „Was können wir als Landkreis aus eigener Kraft leisten, um auf die Krise eine Antwort zu finden?“ Um mittel- und langfristig „unabhängig von diversen Regimen zu sein“, wie Landrat Dirk Neubauer es formuliert. Primärziel sei, eigene Energieproduktionen zu generieren und die Bürger daran zu beteiligen. Das habe zahlreiche Vorteile: Die Akzeptanz für eine Windkraftanlage oder den Solarpark vor Ort steigt. Das finanzielle Risiko wird verteilt und überschaubar, da zum Beispiel ein Genossenschaftsmodell dahinterstehen könnte. 

„Wir haben im Landkreis eine Menge Leute, die sich mit dem Thema Energie auskennen, die Ideen oder im besten Falle sogar schon Lösungen haben. Sie haben wir heute zusammengebracht. Regionale Netzwerke sind unheimlich wichtig“, so Neubauer. Die Ressourcen, Fähigkeiten und Erfahrungen dafür sind in Mittelsachsen sowie Sachsen vorhanden. „Wir als Landratsamt möchten die Drehscheibe dieser Entwicklung sein. Eine Plattform für den Austausch bieten“, so Neubauer. Die Kreisverwaltung ist bereits aktiv und hat beispielsweise die Regionalkonferenzen in den Altkreisen als solch eine Plattform für lokale Strategien etabliert. Zudem wurde eine Abfrage bei den Kommunen zu von ihnen geplanten Aktivitäten und ggf. aufgetreten Konflikten gestartet sowie Gespräche über die Regelung zu Konsensflächen für Wind und Solar mit den beiden zuständigen Sächsischen Ministerien für Umwelt und Regionalentwicklung und im regionalen Planungsverband geführt. 

Dr. Lothar Beier, erster Beigeordneter, stellt fest, dass die Flächenpotentiale für den Ausbau erneuerbarer Energien in Mittelsachsen vorhanden sind. „Wir haben nochmal unseren Ansatz zur Diskussion gestellt: Reicht es, ausschließlich mit den Bürgermeistern in Kontakt zu treten, um Interessens- und Platzabfragen zu machen?“ Sein Fazit nach der Veranstaltung: „Nein. Wir sollten die Entwickler ebenfalls einbeziehen. Und wir müssen regional denken und agieren, Menschen mitwirken lassen. Aufklären, wo es notwendig ist. Die Leute stolz machen auf ihre eigene Wertschöpfung. Und auch durch den Transport von guten Beispielen, ich denke da an den Windpark Sitten in Leisnig.“ 
„Bürgerschaftliche Beteiligung ist der Schlüssel zur Akzeptanz. Es ist meine Energieanlage, die macht auch etwas für mich, die bringt mir einen Nutzen“, meint auch Kristina Wittig von der Initiative „WirMachenEnergie - Plattform für Bürgerenergie in Mittelsachsen“ aus Rossau. Zu dieser haben sich engagierte Bürgerinnen und Bürger aus dem Landkreis zusammengeschlossen. Wichtig sei, das Thema Energiewende durch erneuerbare Energien positiv zu besetzen. „Geld ist nicht das Problem, das haben die Projektierer und Banken auch heute Abend noch einmal signalisiert. Aber an der Akzeptanz müssen wir alle gemeinsam arbeiten“, so Kristina Wittig.

Dem schließt sich Landrat Dirk Neubauer an: „Es gibt meiner Ansicht nach eine große schweigende Mehrheit, die dem Thema aufgeschlossen gegenübersteht. Ihr wollen wir eine Stimme geben. Sie muss laut werden. Lauter als die Stimmen der Kritiker.“ Letztgenannte waren an diesem Abend nicht geladen. „Hier sind heute diejenigen, die mitarbeiten wollen. Die dem Thema aufgeschlossen gegenüberstehen. Mit den Kritikern spreche ich auch, beziehungsweise mit denen bin ich im regelmäßigen E-Mail-Austausch. Auch ihnen werde ich noch eine Plattform bieten. Aber jetzt geht es darum, dass wir starten und einen gemeinsamen Weg finden. Lasst uns etwas machen. Für unsere eigene Zukunft. Für die unserer Kinder. Für das Klima“, so Neubauer.

Der Landkreis selbst darf nicht unmittelbar unternehmerisch tätig werden. Doch es würden aktuell Möglichkeiten ausgelotet. „Das Haushaltsbegleitgesetz des Freistaates Sachsen, das aktuell verhandelt wird, sieht vor, dass die Landkreise eine Million Euro für das Thema Klimaneutralität bekommen sollen. Das kann Basiskapital für Projekte sein“, so Landrat Neubauer. Und es gibt beispielsweise im Referat Wirtschaftsförderung und Kreisentwicklung mit den Projekten Klimaschutzkonzept und Digitale Initiative Mittelsachsen bereits jetzt Schnittstellen sowie finanzielle Möglichkeiten. „Wir möchten beiden Konzepten eine mittelsächsische Note verleihen. Dazu müssen wir unsere Potentiale bündeln. Innovative Päckchen packen, damit es kein Papiertiger wird. Zum Beispiel gemeinsam mit der Hochschule Mittweida, die bereits sehr gut aufgestellt ist mit Forschungs- und Pilotprojekten“, so Referatsleiterin Kerstin Kunze. Aufgabe des Klimaschutzkonzeptes ist es, die Potentiale zusammenfassen, Energie offen darzustellen und sie aus Mittelsachsen herauszuholen. Es hat eine Laufzeit von 24 Monaten. 

Neben viel Lob von den rund 50 geladenen Gästen hat die Kreisverwaltung aber auch klare Hausaufgaben mitbekommen: „Das betrifft zum einen die personelle Ausstattung in den Genehmigungsbehörden sowie im Planungsverband und zum anderen die Untere Naturschutzbehörde“, erläutert Dr. Beier. Die Genehmigungen der bereits in Arbeit befindlichen Projekte müssten zügiger geschehen. Zudem gab es den Hinweis, neutrale Organisationen in den Kommunikationsprozess einzubinden. „Auch die Rolle der Unteren Naturschutzbehörde wurde angesprochen. Sie hat nicht umsonst eine ganz hochrangige, strikte Gesetzgebung einzuhalten. Aber dort, wo wir Ermessensspielräume haben, sollten wir sie zu Gunsten des Ausbaus der erneuerbaren Energien nutzen“, so Dr. Beier. 
 
Stimmen zur Veranstaltung:
Andreas Lietzmann, eab New Energy GmbH aus Großschirma: 
„Wir wollten schauen, welche Ansätze es geben kann, um den Ausbau der erneuerbaren Energien in Zukunft weiter voran zu bringen. Es gab spannende Diskussionen, gute Gespräche, es ist der richtige Ansatz und die richtige Richtung. Jetzt müssen wir an den Lösungen und Zielen arbeiten. Das könnte eine gute Zukunft für Mittelsachsen werden. Die Potentiale, die vorhanden sind, müssen erfasst werden – im Bereich Wind, Photovoltaik, Geothermie, Wasserstofferzeugung. Dabei müssen wir die Bürger mitnehmen.“


Kristina Wittig von der Initiative „WirMachenEnergie – Plattform für Bürgerenergie in Mittelsachsen“:
„Wir sind mit vielen Fragezeichen hierhergekommen, wussten nicht so recht, was uns erwartet, hoffen aber auf Netzwerkmöglichkeiten. Das haben wir hier gefunden. Es gab einen wirklichen gründlichen, substanziellen Austausch darüber, wie man Hemmnisse abbauen kann. Und darüber, wie man den Stolpersteinen, die es gerade noch gibt, begegnen muss, um diese Akzeptanz zu erreichen.“


Ingo Seeligmüller, Agentur NeulandQuartier GmbH aus Leipzig: 
„Es ist eine ganz tolle Initiative, Experten zusammenzubringen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen und darüber nachzudenken, welche Mittel notwendig sind, um mehr Geschwindigkeit hereinzubringen. Bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren gibt es großen Handlungsbedarf. Es wird immer schwieriger, Flächen auszuweisen, auf denen Wind- oder Solaranlagen gebaut werden können. Hier müssten neue Wege gegangen werden, im Sinne der Kommunikation, der Bürgerbeteiligung, um mehr Akzeptanz vor Ort zu schaffen.“


Raymond Uhlig, Volksbank Mittweida aus Mittweida:
„Ich wollte unter anderem wissen, welche Initiativen im Landkreis bereits existieren. Es war ein sehr informativer Abend. ,Energie selber machen‘ bietet im Landkreis sehr viel Potential für neue Geschäftsideen. Das habe ich aus den Gesprächen, die ich führen konnte, heraushören. Wir als Volksbank Mittweida unterstützen diese Initiative – zu meinen als finanzierendes Institut, zum anderen als Betreiber von Anlagen für erneuerbare Energien. Diese PV-Anlagen befinden sich unter anderem in Frankenberg und Mittweida. Das ist eine sehr ausgereifte, solide Technologie. Wir sind überzeugt, dass das ein Teil der Lösung für die Zukunft sein kann.“