Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über das Verbot von Ausstellungen, Märkten und Schauen sowie Veranstaltungen ähnlicher Art zum Schutz vor der Geflügelpest

19.12.2022

Das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt des Landkreises Mittelsachsen (LÜVA Mittelsachsen) erlässt folgende

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung

Auf Grund der Feststellung des Ausbruchs der Hochpathogenen Aviären Influenza (HPAI)-Geflügelpest- bei Geflügel im Freistaat Sachsen werden nachstehende Maßnahmen bekanntgegeben und verfügt:

  1. Ausstellungen, Märkte, Schauen, Wettbewerbe sowie Veranstaltungen ähnlicher Art, bei denen Geflügel im Sinne des Artikel 4 Nr. 9 der VO (EU) 2016/429 und/ oder in Gefangenschaft gehaltene Vögel im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 Geflügelpest-Verordnung verkauft, gehandelt oder zur Schau gestellt werden, sind im gesamten Landkreis Mittelsachsen verboten.
  2. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung wird angeordnet.
  3. Diese Allgemeinverfügung wird am 19.12.2022 auf der Internetseite des Landkreises Mittelsachsen verkündet sowie im elektronischen Amtsblatt bekannt gemacht und tritt am Tage nach ihrer Bekanntgabe in Kraft.
  4. Für diese Allgemeinverfügung werden keine Kosten erhoben.

Begründung:

I.

Aviäre Influenza (von lat. avis, Vogel), umgangssprachlich auch Vogelgrippe genannt, ist eine durch Viren ausgelöste Infektionskrankheit, die ihren natürlichen Reservoirwirt im wilden Wasservogel hat. Diese Viren treten in zwei Varianten (gering-/ hochpathogen) und verschiedenen Subtypen (H1-16 in Kombination mit N1-9) auf. Geringpathogene aviäre Influenzaviren (LPAIV) der Subtypen H5 und H7 verursachen bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome. Allerdings können diese Viren spontan zu einer hochpathogenen Form (hochpathogene aviäre Influenzaviren, HPAIV) mutieren, die sich dann klinisch als Geflügelpest zeigt.

Geflügelpest ist für Hausgeflügel hochansteckend und verläuft mit schweren allgemeinen Krankheitszeichen. HPAIV, aber auch einige LPAIV können bei Exposition gegenüber einer hohen Infektionsdosis auch auf den Menschen übertragen werden und dort tödlich verlaufende Erkrankungen auslösen.

Das Geflügelpestgeschehen in Europa und die zahllosen Fälle von verendeten Wildvögeln durch den hochpathogenen Erreger der Vogelgrippe H5N1 kam im zurückliegenden Sommer nicht zum Erliegen und zeigt seit Oktober wieder einen starken Anstieg.

Dabei beschränkt sich die Ausbreitung der Vogelgrippe nicht, wie in den letzten Jahren allein auf die Küstenregionen Norddeutschlands, sondern tritt zeitnah in mehreren Bundesländern auf. Vom 01.01.2022 bis 14.12.2022 wurden in Deutschland insgesamt 196 HPAI-Ausbrüche bei Geflügel festgestellt. Allein für den November wurden in Deutschland 55 HPAI-Ausbrüche bei Geflügel einschließlich nicht gewerblichen Geflügel-Haltungen gemeldet. Alle Ausbrüche waren vom Subtyp H5N1.

In Zusammenhang mit mindestens drei Geflügelausstellungen und dem dort erfolgten Verkauf von Rassegeflügel wurden mehr als 50 Sekundärausbrüche bei überwiegend nicht gewerblich gehaltenem Geflügel (Rassegeflügel und seltene Arten) verzeichnet.

Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen wurden am 01.12.2022 in Schmölln-Putzkau und am 03.12.2022 in Radibor/ OT Lomske (beides Landkreis Bautzen) jeweils ein HPAI Ausbruch bei Geflügel festgestellt. Im Ansteckungszeitraum fand in Putzkau eine Rassegeflügelausstellung statt, bei der eine potentielle Erregerverschleppung zu befürchten war.

Gemäß der Risikoeinschätzung des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) als Bundesforschungs-institut für Tiergesundheit (Stand 09.12.2022) zur Hochpathogenen Aviären Influenza H5 Klade 2.3.4.4B ist derzeit von einem hohen Eintragungsrisiko durch Verschleppung des Virus zwischen Haltungen (Sekundärausbrüche) bzw. durch Geflügelausstellungen oder Abgabe von infiziertem Lebendgeflügel im Reisegewerbe innerhalb Deutschlands und Europas auszugehen.

II.

Das LÜVA Mittelsachsen ist sachlich und örtlich für den Erlass dieser amtlichen Anordnung zuständig, gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 Tiergesundheitsgesetz (TierGesG) i. V. m. § 1 Abs. 1, 2 und 6 SächsAGTierGesG bzw. § 3 Abs. 11 VwVfG i. V. m. § 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG).

Die amtliche Anordnung in Form der Allgemeinverfügung richtet sich an Veranstalter von Ausstellungen, Märkten und Schauen sowie Veranstaltungen ähnlicher Art sowie Halter und damit verantwortliche Personen für Geflügel im genannten Risikogebiet.

Zu 1.

Das Verbot von Geflügelausstellungen, -schauen und -märkten sowie Veranstaltungen ähnlicher Art mit Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln in Ziffer 1 ergibt sich aus Art. 70 Abs. 1 Buchst. b) i. V. m. Abs. 2 i. V. m. Art. 55 Abs. 1 Buchst. c) VO (EU) 2016/429 i. V. m. § 7 Abs. 6 der Geflügelpest-Verordnung (GeflPestSchV) i. V. m. § 4 Abs. 2 der Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (ViehverkV) und stützt sich auf die aktuelle Risikobewertung des FLI vom 09.12.2022. Hiernach kann die zuständige Behörde zur Vorbeugung von Tierseuchen und deren Bekämpfung Verfügungen über die Durchführung von Veranstaltungen, anlässlich derer Tiere zusammenkommen, erlassen.

Das in Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung angeordnete Verbot von Geflügelausstellungen, -schauen und –märkten sowie Veranstaltungen ähnlicher Art mit Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögelnist erforderlich um eine Ausbreitung der Krankheit zu verhindern und damit Leiden der Tiere und auch wirtschaftlichen Schaden abzuwenden und geeignet, da durch den bei solchen Veranstaltungen gegebenen engen Kontakt von Tieren ein bislang nicht abschätzbares Infektionsrisiko besteht und durch einen Verkauf, Ausstellung oder dergleichen eine Verschleppung von potentiell infizierten Tieren möglich ist.

Das Zusammentreffen von Vögeln unterschiedlicher Herkunft, die sich möglicherweise in der Inkubationszeit befinden, sowie der mit einer solchen Veranstaltung einhergehende Personenverkehr, birgt die große Gefahr, dass es ausgehend von Ausstellungen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art zu einer Weiterverbreitung der Aviären Influenza kommt. Somit sind Veranstaltungen mit gehalten Vögeln zu untersagen.

Gemäß § 4 Abs. 2 ViehVerkV kann die zuständige Behörde Veranstaltungen nach Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung beschränken oder verbieten, soweit dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung erforderlich ist.

Bei der notwendigen Risikoeinschätzung wurde die in Deutschland und auch in Sachsen grundsätzlich bestehende hohe Gefahr einer Einschleppung von Geflügelpestviren durch direkte und indirekte Kontakte zwischen infizierten Wildvögeln und Nutzgeflügel sowie die für die Veranstaltung geltenden Biosicherheitsmaßnahmen und deren Einhaltung vor Ort berücksichtigt.

Insbesondere sind folgende Abwägungen in die Risikobewertung eingeflossen

  • Im Landkreis Mittelsachsen wurden im März 2021 drei Fälle von HPAI festgestellt. Dabei galt die Einschleppung durch wildlebendes Wassergeflügel als höchst wahrscheinlich
  • Das aktuelles Infektionsgeschehen der letzten Tage und Wochen lässt einen erneuten Eintrag des HPAI-Virus in mittelsächsische Hausgeflügelbestände befürchten
  • Zahlreiche Veranstaltungen mit Geflügel und gehaltenen Vögeln sind in Mittelsachsen geplant bzw. bereits beim LÜVA angemeldet. Einige Veranstaltungen sollten bereits durchgeführt werden, wurden durch die Veranstalter aber wegen der erhöhten Gefahr der Ausbreitung der Geflügelpest abgesagt bzw. auf Anfang des kommenden Jahres verschoben.
  • In einigen Regionen des Landkreises Mittelsachsen herrscht eine hohe Geflügeldichte (> 500 Stück Geflügel je km²)
  • Im Landkreis gibt es mehrere Geflügelbetriebe, die für den innergemeinschafltichen Handel mit Geflügel und Bruteiern zugelassen sind und an diesem teilnehmen. Deren Vermarktungsmöglichkeiten wären im Fall der Bildung von Restriktionszonen stark eingeschränkt.

Die durchgeführte Risikobewertung ergibt, dass ein Veranstaltungsverbot gemäß Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung im Sinne von § 4 Absatz 2 ViehVerkV erforderlich ist.

Die angeordneten Maßnahmen sind auch geeignet, um die Ausbreitung der Geflügelpest nach derzeitigem Kenntnisstand wirksam zu verhindern und die Seuche erfolgreich zu bekämpfen. Es wird ein Zusammentreffen potenziell infizierter Tiere und damit die Übertragung der Viren verhindert und somit ein weiteres Verbreiten der Krankheit zwischen den Rassegeflügelbeständen im Rahmen von Ausstellungen verhindert. Sie sind in Anbetracht des Infektionsgeschehens, der besonderen Bedeutung der Geflügelpest und aufgrund des grundsätzlichen Zoonosecharakters angemessen.

Zu 2.

Auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO kann die sofortige Vollziehung im besonderen öffentlichen Interesse angeordnet werden. Die Voraussetzung liegt hier vor, da die Geflügelpest eine akut verlaufende und leicht übertragbare Viruskrankheit ist, die für Tiere eine Gefahr darstellt und aufgrund des grundsätzlichen Zoonosecharakters auch für Menschen beachtlich ist und somit die Gefahr von tiergesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Folgen sofort unterbunden werden muss.

Sollte die sofortige Vollziehung nicht angeordnet werden, könnte die Anfechtung der Ziffer 1 bedeuten, dass anderenfalls eine wirksame Bekämpfung der Tierseuche nicht mehr gewährleistet wäre. Ein Ausbruch in einem Geflügelbestand bedeutet zudem einen immensen wirtschaftlichen Schaden für den unmittelbar Betroffenen sowie die mittelbar betroffenen Tierhalter. Demgegenüber haben die sonstigen Interessen von Veranstaltern, Geflügelhaltern oder sonstigen Dritten zurückzustehen.

Zu 3.

Die Bekanntgabe der Allgemeinverfügung erfolgt auf der Grundlage des § 1 des Gesetzes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungszustellungsrechts für den Freistaat Sachsen (SächsVwVfZG) i. V. m. § 41 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG). Danach gilt eine Allgemeinverfügung zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben. In der Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag, bestimmt werden, § 41 Abs. 4 Satz 4 VwVfG. Von dieser Ermächtigung wurde unter Ziffer 3 der Allgemeinverfügung Gebrauch gemacht, da die angeordneten tierseuchenrechtlichen Maßnahmen keinen Aufschub dulden.

Die Bekanntmachung erfolgt nach § 41 Abs. 4 S. 1 und 2 VwVfG durch die ortsübliche Bekanntmachung des verfügenden Teils. Die vollständige Begründung kann zu den Öffnungszeiten in der Dienststelle des Landkreises Mittelsachsen, Landratsamt Mittelsachsen, Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt, 09648 Mittweida, Am Landratsamt 3, Haus F, Zimmer 3.12 eingesehen werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis so groß ist, dass er, bezogen auf Zeit und Zweck der Regelung, vernünftigerweise nicht mehr in Form einer Einzelbekanntgabe angesprochen werden kann. Von einer Anhörung wurde daher auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG abgesehen.

Der vollständige Inhalt dieser Allgemeinverfügung kann neben der Internetseite des Landkreises Mittelsachsen auch zu den Öffnungszeiten in der Dienststelle des Landkreises Mittelsachsen, Landratsamt Mittelsachsen, Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt, 09648 Mittweida, Am Landratsamt 3, Haus F eingesehen werden.

Zu 4.

Die Nichterhebung von Kosten beruht auf § 11 Abs. 1 Nr. 5 SächsVwKG. Diese Amtshandlung wird im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen.

II. Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Landratsamt Mittelsachsen, Sitz in 09599 Freiberg, einzulegen.

Die Schriftform kann durch die elektronische Form ersetzt werden. In diesem Fall ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung des Signaturschlüsselinhabers nicht ermöglicht, ist nicht zulässig.

Die Zugangseröffnung für elektronische Übermittlung erfolgt über die E-Mail-Adresse egov@landkreis-mittelsachsen.de.

Der Widerspruch kann auch durch DE-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach dem DE-Mail-Gesetz erhoben werden. Die DE-Mail-Adresse lautet: post@landkreis-mittelsachsen.de-mail.de

Hinweise:

Weitere Einzelheiten zur elektronischen Kommunikation sind auf der Internetseite des Landkreises Mittelsachsen unter www.landkreis-mittelsachsen.de/e-kommunikation.html zu finden.

Diese Allgemeinverfügung gilt am Tag nach der Veröffentlichung in der elektronischen Ausgabe des Amtsblattes als bekanntgegeben.

gez. Dr. Markus Richter
Amtstierarzt