Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über die Anordnung der Aufstallung von Geflügel zum Schutz vor der Geflügelpest und die Beschränkung der Durchführung von Veranstaltungen mit Geflügel zum Schutz gegen die Geflügelpest

10.03.2021

Das Landratsamt Mittelsachsen, Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt (LÜVA) erlässt an Halter von Geflügel im Landkreis Mittelsachsen folgende

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung

  1. Es wird die Aufstallung der unter Punkt 3. benannten Tiere angeordnet.
  2. Jeder, der im Landkreis Mittelsachsen Geflügel hält, hat dies unverzüglich unter Angabe seines Namens, seiner Anschrift und der Art und Anzahl, der Nutzungsart und ihres Standortes, bezogen auf die jeweilige Art sowie die bisherige Haltungsform (in Ställen oder im Freien) beim LÜVA anzuzeigen, sofern dies noch nicht erfolgt ist.
  3. Im Landkreis Mittelsachsen dürfen Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Wachteln, Enten, Gänse und Laufvögel (= Geflügel) bis auf Widerruf ausschließlich in geschlossenen Ställen oder unter einer Schutzvorrichtung (Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenbegrenzung stehen muss, wobei Netze oder Gitter, die zur Abdeckung nach oben genutzt werden, nur anerkannt werden, wenn ihre Maschenweite maximal 25 mm beträgt) gehalten werden. 
  4. Für die Punkte 1. bis 3. wird die sofortige Vollziehung angeordnet.
  5. Ausnahmen von den Bestimmungen des Punktes 3. sind nur nach vorheriger Genehmigung des LÜVA möglich.
  6. Die Allgemeinverfügung zur Aufstallung von Geflügel in bestimmten Risikogebieten im Landkreis Mittelsachsen vom 07. Januar 2021 wird hiermit aufgehoben.
  7. Diese Allgemeinverfügung wird durch öffentliche Bekanntmachung verkündet und tritt am Tag nach ihrer Bekanntmachung in Kraft.

Für diese Allgemeinverfügung werden keine Kosten erhoben.

Gründe

I.

Das Risiko der Ausbreitung des hochpathogenen aviären Influenza-A-Virus (HPAIV) in Wasservogelpopulationen und der Eintrag in Geflügelhaltungen und Vogelbestände in zoologischen Einrichtungen wird durch die Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) vom 22.02.2021 als hoch eingestuft.

Dies wird damit begründet, dass in Deutschland seit dem 30.10.2020 über 650 HPAIV H5-Fälle bei Wildvögeln, 66 Ausbrüche bei Geflügel, davon drei bei gehaltenen Vögeln in Tierparks festgestellt worden sind. Außerdem meldeten 25 europäische Länder Wildvogelfälle bzw. Ausbrüche von HPAIV des Subtyps H5 bei gehaltenen Vögeln.

Bereits mit Allgemeinverfügung vom 07. Januar 2021 wurde die Aufstallung in bestimmten Risikogebieten des Landkreises Mittelsachsen angeordnet. Sachsen verzeichnet derzeit eine Ausbreitung der Geflügelpest bei Wildvögeln. In den letzten 14 Tagen wurden in Sachsen insgesamt 23 positive Fälle bei Wildvögeln amtlich bestätigt. Am 08.03.2021 wurde die Geflügelpest bei gehaltenen Vögeln in einem Tierpark in Limbach-Oberfrohna festgestellt.

Am 09.03.2021 wurde im Landkreis Mittelsachsen in einem Geflügelbestand in der Gemeinde Burgstädt hochpathogenes aviäres Influenza-A-Virus (HPAIV) vom Subtyp H5N8 nachgewiesen.

Wenn sich die in ihre Winterquartiere ziehenden bzw. diese verlassenden Wasservögel in hoher Zahl sammeln und vermischen, werden Virusübertragungen zwischen Wildvögeln und somit die Verbreitung der Viren begünstigt. Überall dort, wo Kontaktmöglichkeiten zwischen Wildvögeln, insbesondere Wasservögeln, und Hausgeflügel bestehen oder Flächen, Futtermittel und Einstreumaterial durch infizierte Wildvögel kontaminiert werden, können Infektionen bei gehaltenem Geflügel eingetragen werden und somit neue Infektionsquellen entstehen. Aber auch über Aas fressende Vögel, die infizierte Tiere aufgenommen haben, ist eine Virusverbreitung innerhalb ihres Bewegungsradius und über Umweltkontamination möglich.

Es ist derzeit von einem vergleichsweise hohen Erregerdruck in der Wildvogelpopulation auszugehen. Um weiteren Einträgen dieser unbekannten Wildvogelgruppe in Freilandhaltungen vorzubeugen und in Anbetracht dessen, dass der erste positive Fall in einer Geflügelhaltung im Landkreis Mittelsachsen gerade nicht in lokalen Wildvogelruhegebieten, auf den umgebenden Feldern und Seen und der Wildvogelbewegungen aufgetreten ist, erscheint eine Begrenzung der Aufstallungspflicht auf die bisherigen Risikogebiete als unzureichend und muss entsprechend ausgedehnt werden.

Infolgedessen ist zum Schutz vor der Einschleppung der Geflügelpest in weitere Geflügelbestände des Landkreises Mittelsachsen die Aufstallung von sämtlichen Geflügel im Landkreis erforderlich.

II.

Das LÜVA Mittelsachsen ist sachlich und örtlich für den Erlass dieser amtlichen Anordnung zuständig, gemäß § 24 Abs. 1 und Abs. 3 TierGesG i. V. m. § 1 Abs. 1, 2 und 6 SächsAGTierGesG bzw. § 3 Abs. 11 VwVfG i. V. m. § 1 SächsVwVfZG.

Die amtliche Anordnung in Form der Allgemeinverfügung richtet sich an Halter und damit verantwortliche Personen von Geflügel im Landkreis.

Zu 1. und 3.:

Nach § 13 Geflügelpest-VO ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung an, soweit dies auf der Grundlage der Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist.

Aufgrund der Risikobewertung des FLI muss nunmehr von einem massiven Auftreten von HPAIV H5N8 mit einem in der Wildvogelpopulation hohen Virusdruck ausgegangen werden und nicht mehr nur von lokal begrenzten Seuchengeschehen. Zum 09. März 2021 gab es 395 gemeldete Ausbrüche von HPAI bei Wildvögeln in 14 Bundesländern in den letzten 90 Tagen in Deutschland.

Durch die damit verbundene Ausbreitungstendenz der Wildvogel-Geflügelpest erhöht sich auch das Risiko für einen Eintrag in die Hausgeflügelbestände. Dies ist auch an der zunehmenden Anzahl von Ausbrüchen in Hausgeflügelbeständen erkennbar (84 Fälle in 12 Bundesländern in den letzten 90 Tagen).

Potentielle direkte und indirekte Kontakte zwischen Hausgeflügel und Wildvögeln sind daher möglichst effektiv zu verhindern. Eine allgemeine Aufstallungspflicht nicht nur in unmittelbarer Fundortnähe, sondern im gesamten Landkreis, ist nunmehr das Mittel der Wahl.

Dabei wurden insbesondere die positiven HPAIV-Befunde bei Wildvögeln in Sachsen aktuell sowie der Ausbruch der Geflügelpest im eigenen sowie in einem direkt angrenzenden Nachbarkreis beachtet.

Entsprechend dem Erlass des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt (SMS) vom 30.12.2020 erfolgt im Abstand von max. 30 Tagen durch das Landestierseuchenbekämpfungszentrum/SMS die Neubewertung der epidemiologischen Situation dahingehend, ob die Anordnung der Aufstallung in bestimmten Risikogebieten aufrechterhalten werden muss oder vollkommen bzw. partiell aufgehoben werden kann.

Für eine effektive Seuchenbekämpfung ist die Kenntnis aller Geflügelhaltungen in dem betroffenen Gebiet essentiell. Eine grundsätzliche Verpflichtung zur Meldung besteht unabhängig von der Seuchenlage (§ 2 Geflügelpest-VO). Im Rahmen des Ausbruchsgeschehens wird hiermit noch einmal nachdrücklich darauf hingewiesen.

Zu 4.:

Auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO kann die sofortige Vollziehung im besonderen öffentlichen Interesse angeordnet werden. Die Voraussetzung liegt hier vor, da die Geflügelpest eine akut verlaufende und leicht übertragbare Viruskrankheit ist, die für Tiere eine Gefahr darstellt und, aufgrund des grundsätzlichen Zoonosecharakters, auch für Menschen beachtlich ist und somit die Gefahr von tiergesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Folgen sofort unterbunden werden muss. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtung der angeordneten eilbedürftigen Maßnahmen würde bedeuten, dass anderenfalls eine wirksame Bekämpfung der Tierseuche nicht mehr gewährleistet wäre. Ein Ausbruch in einem Geflügelbestand bedeutet zudem einen immensen wirtschaftlichen Schaden für den unmittelbar Betroffenen sowie die mittelbar betroffenen Tierhalter in den einzurichtenden Restriktionszonen.

Es ist daher sicherzustellen, dass auch während möglicher Widerspruchs- bzw. Klageverfahren alle notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen rechtzeitig und wirksam durchgeführt werden können.

Demgegenüber haben die sonstigen Interessen von Geflügelhaltern oder sonstigen Dritten in dem oben genannten Aufstallungsgebiet zurückzustehen.

Darüber hinaus entfällt die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. sowie § 37 S. 1 Nr. 2 und 7 Tiergesundheitsgesetz.

Zu 5.:

Über Anträge auf Ausnahmen vom Aufstallungsgebot entscheidet die zuständige Behörde einzelfallbezogen (§ 13 Abs. 3 Geflügelpest-VO). Der Antrag kann beim LÜVA Mittelsachsen schriftlich oder zur Niederschrift gestellt werden. Hierdurch können weitere Kosten entstehen.

Zu 6.:

Auf Grundlage der §§ 41 Abs. 4 Satz 4, 43 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz kann als Zeitpunkt der Bekanntgabe und damit des Inkrafttretens einer Allgemeinverfügung der Tag, der auf die Bekanntmachung folgt, festgelegt werden. Von dieser Möglichkeit hat das Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt zur Verhütung der Weiterverbreitung der Geflügelpest Gebrauch gemacht. Die angeordneten tierseuchenrechtlichen Maßnahmen dulden keinen Aufschub.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Adressatenkreis so groß ist, dass er, bezogen auf Zeit und Zweck der Regelung, vernünftigerweise nicht mehr in Form einer Einzelbekanntgabe angesprochen werden kann. Von einer Anhörung wurde daher auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG abgesehen.

Die angeordneten Punkte und Maßnahmen sind erforderlich, dabei aber zugleich geeignet, die Ausbreitung der Geflügelpest zum derzeitigen Kenntnisstand wirksam zu verhindern und die Seuche zu bekämpfen. Dennoch sind sie in Anbetracht der besonderen Bedeutung der Geflügelpest für Vögel/Geflügel und aufgrund des grundsätzlichen Zoonosecharakters angemessen.

III.

Die Nichterhebung von Kosten beruht auf § 3 Abs. 1 Pkt. 3 SächsVwKG. Diese Amtshandlung wird im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift beim Landratsamt Mittelsachsen, Sitz in 09599 Freiberg, einzulegen.

Die Schriftform kann durch die elektronische Form ersetzt werden. In diesem Fall ist das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen. Die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung des Signaturschlüsselinhabers nicht ermöglicht, ist nicht zulässig.

Die Zugangseröffnung für elektronische Übermittlung erfolgt über die E-Mail-Adresse egov@landkreis-mittelsachsen.de.    

Der Widerspruch kann auch durch DE-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach dem DE-Mail-Gesetz erhoben werden. Die DE-Mail-Adresse lautet: post@landkreis-mittelsachsen.de-mail.de

Hinweise:
Weitere Einzelheiten zur elektronischen Kommunikation sind auf der Internetseite des Landkreises Mittelsachsen unter www.landkreis-mittelsachsen.de/e-kommunikation.html zu finden.

Die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs entfällt jedoch gemäß § 37 TierGesG.

Diese Allgemeinverfügung gilt am Tag nach der Veröffentlichung in der elektronischen Ausgabe des Amtsblattes als bekanntgegeben.

Mittweida, den 10. März 2021

gez. Dr. Markus Richter
Amtstierarzt

Diese Allgemeinverfügung kann unter https://www.landkreis-mittelsachsen.de/amtsblatt eingesehen werden.